Noch vor Ende des Zweiten Weltkriegs im September 1944 einigten sich die „Großen Drei“ alliierten Kriegsgegner auf eine Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen – hier wurde erstmals die Grenzziehung von der Ostsee bis ins Vogtland festgelegt. Diese Linie bildete ab 1945 die Grenze zwischen den beiden westlichen Besatzungszonen und der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) sowie ab 1949 die Grenze zwischen den beiden neugegründeten deutschen Staaten. Hier standen sich nun die beiden Weltsysteme des einbrechenden Kalten Krieges direkt gegenüber.
Grenzzaun in Amt Neuhaus
privat
Um die steigenden Flüchtlingszahlen einzudämmen, „dichtete“ die DDR ihre Westgrenze 1952 ab, indem sie über die gesamte Länge von 1.400 km eine 5-km-Sperrzone einrichtete. Der grenznahe Verkehr – „kleiner Grenzverkehr“ genannt – der mit Interzonenpässen möglich war, wurde aufgehoben und die Beantragung solcher Pässe für Bewohner der Sperrzone verboten. Das betraf 345.000 Menschen. Davon wurden 11.000 enteignet und zwangsumgesiedelt, die „Grenzschieber“ oder Fluchthelfer gewesen sein sollen. Es waren im Grunde DDR-Bürger, die bei der SED als „politisch unzuverlässig“ galten. Der Grenzstreifen wurde komplett gerodet und von da an immer strenger überwacht. Das Betreten war nur mit besonderer Genehmigung erlaubt, die Bewohner erhielten einen Stempel im Personalausweis. Ab 1960 wurden an der „grünen Grenze“ erste Minen verlegt, wodurch eine Flucht schon vor dem 13. August 1961, dem Tag des Mauerbaus, fast unmöglich wurde.
Der Fluß und die Grenze teilte die Familien in Amt Neuhaus in Ost und West
©Hoferichter&Jacobs
Die neue Ostpolitik der BRD unter Willy Brandt versuchte Anfang der 70er Jahre einen „Wandel durch Annäherung“ und damit ein Ende der Hallstein-Doktrin. Diese erlaubte diplomatische Beziehungen nur zu einem deutschen Staat und sollte die DDR international isolieren. Die Staatsführung der DDR begrüßte diese Abkehr, weil sie eine Chance auf die ersehnte internationale Anerkennung bot. Durch die Verhandlungsbereitschaft der UdSSR kam es zu einer Reihe von Verträgen, von denen am Ende der Grundlagenvertrag von 1972 zwischen DDR und BRD das beiderseitige Verhältnis ordnete und letztlich die staatsrechtliche Anerkennung der DDR brachte. Über 30 Staaten, darunter alle führenden westeuropäischen Industrieländer, die USA und Japan nahmen diplomatische Beziehungen zur DDR auf und 1973 wurden beide deutsche Staaten schließlich UNO-Mitglieder.
Aber schon im Vorfeld entstanden wichtige Verträge für den innerdeutschen Verkehr: Im Zuge des sogenannten Viermächteabkommens von 1971, das den Status der geteilten Stadt Berlin formulierte, schlossen DDR und BRD ein Transitabkommen, das den Verkehr nach West-Berlin über das DDR-Gebiet regelte. 1972 folgte mit dem „Verkehrsvertrag“ der erste Vertrag, den die deutschen Staaten „aus eigenem Recht“ und nicht im Kontext alliierter Abkommen schlossen. Er regelte ganz konkrete Erleichterungen für die Bürger beider deutscher Staaten bei der Kommunikation und beim grenzüberschreitenden Verkehr. Ein Zusatzprotokoll enthielt eine für grenznahe Bewohner wichtige „Information der DDR zu Reiseerleichterungen“ und regelte den „kleinen Grenzverkehr“.
Westberliner Besucher in Ostberlin
Bundesarchiv / 183-B1228-0010-003 / Eva Brüggemann / CC-BY-SA
Mit der deutschen Teilung waren entlang des Grenzverlaufs viele Familien voneinander getrennt worden. Für vertraglich festgesetzte Landkreise und grenznahe Städte auf beiden Seiten galten ab 1972 vereinfachte Regeln für Besuche. Die Erleichterung war jedoch einseitig: Westdeutsche Bewohner konnten vier bis sechs Wochen vor der ersten Einreise einen „Mehrfachberechtigungsschein“ beantragen, der 30 Besuche pro Kalenderjahr erlaubte – zunächst für nur einen Tag, ab 1984 für bis zu zwei Tage am Stück. Das Visum erhielten die Westbesucher bei Grenzübertritt, wobei nur neun pro Vierteljahr möglich waren. Der Zeitpunkt der Einreise konnte frei bestimmt werden, das Ziel musste jedoch in einem die 54 festgelegten „Nachbar“-Kreise der DDR liegen.
Einreiseantrag für Westberliner in die DDR
Die Einreise und auch die Ausreise mussten an dem Grenzübergang erfolgen, der dem Reiseziel in der DDR am nächsten lag. Es gab sieben Übergänge per Bahn. Aber besonders attraktiv war die Möglichkeit, mit dem Auto ins Umland der Grenze zu fahren. Um den Ansturm zu bewältigen, wurden bald vier weitere Straßenübergänge gebaut – am Ende waren es insgesamt zehn, drei davon auf Transitautobahnen nach West-Berlin. An den Landstraßen haben westdeutsche Beamte beharrlich einen Zubringerverkehr mit Bussen ausgehandelt, der auf beiden Seiten bis zum Grenzposten führte. Nur die Westbesucher durften in ihrem Bus die Grenze passieren und wurden darin auch gleich von den DDR-Grenzbeamten abgefertigt. Danach hatten Pendelbusse aus der DDR Anschluss oder man ließ sich von Verwandten oder einem Taxifahrer abholen.
Neben dem Besuch der Verwandtschaft konnten auch Reisen aus rein touristischen, kulturellen, sportlichen, religiösen und auch kommerziellen Gründen unternommen werden, jedoch nur in die spezifischen DDR-Landkreise. DDR-Bürger konnten zwar auch eine Reisegenehmigung für private Anlässe beantragen – eine solche Reise wurde jedoch aufwändig geprüft und oftmals negativ beschieden. Zu groß war die Befürchtung der Staatsmacht, die eigene Bevölkerung könnte wie in den 50er Jahren massenhaft in den Westen flüchten.
Mehrfachvisum für Mehrfacheinreisen in die DDR - Rückseite
Über die Dauer der deutschen Teilung bekamen auch einige DDR-Bürger Reiseerleichterungen. Schon seit 1964 konnten Rentner zu ihren Verwandten in der BRD reisen, ab 1972 für 30 Tage und ab 1984 für bis zu 60 Tage im Jahr. Ab 1972 durften DDR-Bürger, die noch nicht das Rentenalter erreicht haben, bei „dringenden Familienangelegenheiten“ Aufenthalte von mehreren Tagen beantragen. Das galt aber nur bis zum 2. Verwandtschaftsgrad und nur für Geburten, Taufen, Konfirmationen, Kommunionen, Jugendweihen, Eheschließungen, tödliche Erkrankungen, Todesfälle und runde Geburtstage ab 60 – ab dem 75. Geburtstag auch jeder weitere.
Die Reiseerleichterungen von 1972 nahmen vor allem die Westdeutschen dankbar an. 1975 besuchten insgesamt 3,5 Millionen davon die DDR – eine Verdreifachung der Besuche im Vergleich zu 1969. Zwangsgebühren der DDR wurden dabei in Kauf genommen: es fielen Visagebühren von 5 DM an und ein Mindestumtausch von 25 DM in 25 DDR-Mark pro Tag und Person, die nicht wieder zurückgetauscht werden durften. Da auch nur Gegenstände im Wert von 20 Ostmark mitgenommen werden konnten, erhielt die DDR nebenbei wertvolle Devisen.
Grenzanlage zwischen Ost- und Westberlin
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Chronologie der Grenze von 1945 bis 1989
1945 | Zwischen den Besatzungszonen wird die Demarkationslinie gesetzt. Zu erkennen ist sie an den weiß-gelben Holzpfeilern und an Farbmarkierungen an Bäumen. Der kleine Grenzverkehr ist für Landwirte und Arbeitspendler möglich. |
1946 | Die Zonengrenze wird gesperrt und der Interzonenpass eingeführt, d.h. ein eingeschränktes Überschreiten der Demarkationslinie ist möglich. Die Grenztruppen werden auf Befehl der Sowjetischen Militäradministration Deutschlands aufgebaut. |
1947 | In Waldgebieten und an schwer einsehbaren Stellen werden Hindernisse aus Stacheldraht aufgestellt. An grenzüberschreitenden Straßen und Wegen entstehen Straßensperren. |
1948 | Für die Einreise in die Sowjetische Besatzungszone ist ab dem 13. Juli 1948 zusätzlich zum Interzonenpass eine Aufenthaltsgenehmigung erforderlich. |
1949 | Gründung beider deutscher Staaten |
1952 | Die Demarkationslinie wird durch ein 5 km-Sperrgebiet, einen 500 m-Schutzstreifen und einen 10 m-Kontrollstreifen direkt am Grenzzaun abgeriegelt. Mehrere Tausend Menschen, die die Sperrzone bewohnen, werden zwangsweise umgesiedelt („Aktion Ungeziefer"). |
1954 | Die Visumspflicht wird eingeführt, und das unerlaubte Verlassen oder Betreten des Territoriums der DDR unter Strafe gestellt. |
1955 | Die Bewachung der Demarkationslinie wird jetzt souverän durch die Grenzpolizei der DDR geleistet. |
1960 | Die ersten Minen werden an der Grenze verlegt. |
1961 | Am 13. August wird die Mauer in Berlin gebaut. An der „Staatsgrenze West“ wird der Stacheldrahtzaun verdoppelt und mit Betonpfosten verstärkt. Zusätzlich wird ein 6 m breiter Spurensicherungsstreifen angelegt. Im Zuge der verschärften Sperrmaßnahmen werden nochmals mehrere Tausend Bewohner des Sperrgebietes zwangsumgesiedelt. Diesmal heißt die Aktion „Kornblume“ bzw. „Festigung“ (Tarnname des Ministeriums für Staatssicherheit). |
1966 | Im Abstand von 500 bis 1.000 Metern wird ein zusätzlicher Signalzaun gebaut, der unter Schwachstrom steht. Die Tore im Doppelzaun werden vermint. Neue Erdbeobachtungsstände werden aus Betonfertigteilen gebaut. |
1967 | Wenige Meter vor der Demarkationslinie werden 2.622 Beton-Grenzsäulen in schwarz-rot-goldenem Anstrich und einem DDR-Emblem aufgestellt. Der Bundesgrenzschutz warnt auf Schilder mit der Beschriftung "Halt! Zonengrenze" und "Halt! Hier Grenze!" vor versehentlichen Grenzverletzungen von der Seite der Bundesrepublik. |
1968 | „Republikflucht“ wird zum Straftatbestand und wird mir mehrjähriger Haft bestraft. Die Zäune an der Grenze werden getauscht: aus Stacheldraht wird ein Doppelzaun aus Streckmetallgitter. |
1969 | Wachtürme aus Holz werden nach und nach durch solche aus Beton ersetzt. |
1971 | Die DDR-Grenzpolizei wird neustrukturiert. "Grenzaufklärer" patrouillieren jetzt auch zwischen dem Metallgitterzaun und den Grenzsäulen. |
1973-1976 | Die im Zusammenhang mit dem Grundlagenvertrag eingerichtete Grenzkommission aus Vertretern beider Staaten nimmt ihre Arbeit auf. In den Folgejahren werden neue Grenzsteine mit der Aufschrift DDR gesetzt und alte Minen gesprengt. Trotzdem werden die Sicherungsanlagen erneut ausgebaut und Selbstschussanlagen errichtet. |
1982 | Das "Gesetz über die Staatsgrenze der DDR" vom 25. März 1982 legalisiert den Waffeneinsatz gegen „Grenzverletzungen“. |
1983-85 | Auf Betreiben der Bundesrepublik und als Gegenleistung gewährter Kredite werden die Selbstschussanlagen abgebaut und die letzten Erdminen gesprengt. Dafür wird der Aufbau des Grenzsperr- und Signalzaunes, der mit Alarm auslösenden Kontakten ausgestattet ist, vorangetrieben. |
1989 | Am 9. November 1989 kurz nach 19 Uhr meldet der ADN, die staatliche Nachrichtenagentur der DDR, dass die Grenze nach beiden Seiten geöffnet wird. Die DDR stellt mit sofortiger Wirkung Genehmigungen für Auslandsreisen aus. In diesem Zuge übertreten an diesem Abend tausende DDR-Bürger die innerdeutsche Grenze. |
In der Bundesrepublik1. Bad Kissingen |
In der DDR1. Wismar (Stadt und Landkreis) |
Quelle: Public Domain / Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen
Dietmar Schultke: Keiner kommt durch. Die Geschichte der innerdeutschen Grenze und der Berliner Mauer. Berlin 2008
Chronologie der Grenze von 1945 bis 1989