Interzonenzüge

Geteilter deutscher Bahnverkehr

Vier Besatzungszonen und ein Interzonenpass (1945-1949)

Mit Ende des Zweiten Weltkrieges und der Teilung Deutschlands in zunächst vier Besatzungszonen wurde auch der Bahnverkehr der seit 1920 bestehenden „Deutschen Reichsbahn“ geteilt. Die Demarkationslinie zwischen der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und den westlichen Zonen durchschnitt 47 Bahnstrecken. Innerhalb ihrer Grenzen errichteten die Besatzungsmächte jeweils eigene Bahnbetriebe, um den Zugverkehr zügig wiederaufzubauen. In der Ostzone litt das Bahnnetz nicht nur unter 970 kriegszerstörten Brücken, sondern auch unter der flächendeckenden Demontage durch die sowjetischen Besatzer. Als Kriegsentschädigung wurden bis März 1948 etwa 11.800 Kilometer Gleise abtransportiert, schätzungsweise 700.000 Tonnen Stahl. Viele Strecken wurden eingleisig oder komplett entfernt, wodurch sich das Netz auf 52 Prozent des Zustands von 1938 verkleinerte. Die wenigen noch funktionierenden Transportwege wurden für Versorgungs- und Militärtransporte genutzt und sollten Berlin mit den Westzonen verbinden. Denn die westlichen Besatzer brauchten Nachschubwege für ihre Berliner Besatzungszonen. Und so fuhr bereits im August 1945 der erste Güterzug aus dem Ruhrgebiet nach Berlin. Im Januar 1946 begann ein reger Güterverkehr zwischen den Zonen mit den sogenannten Interzonenzügen. Im ersten Jahr wickelten die Besatzungsmächte insgesamt 123.520 Wagenladungen mit 2,4 Mio. Tonnen Gütern aus der Ostzone vorwiegend in die britische Besatzungszone ab. Im Gegenverkehr gelangten 86.425 Wagenladungen mit 1,6 Mio. Tonnen Gütern in den Osten. Einige der wichtigsten Verkehrsadern der Vorkriegszeit kamen wieder in Fahrt.

public domain

Für die Zivilbevölkerung erließen die Siegermächte direkt nach dem Krieg zunächst Reiseverbote. Für das Verlassen des Wohnortes war ein Passierschein notwendig. Neben der Priorität für den Güterverkehr war die Kanalisierung der enormen Flüchtlingsbewegung zu einer logistischen Herausforderung geworden. Die Besatzungsmächte organisierten zur Umsiedlung von Flüchtlingen eigene Transporte, die meist in offenen Güterwaggons stattfanden. Der „normale“ Personenverkehr zwischen Ost und West war anfangs vollständig eingestellt. Ab Oktober 1946 erlaubte der sogenannte Interzonenpass eine offizielle Überschreitung der Zonengrenzen zunächst für Geschäftsreisende des Interzonenhandels. Alle anderen Personen reisten illegal über die Zonengrenze – von Oktober 1945 bis Mitte 1946 über 2 Mio. Menschen. Sie fuhren mit der Eisenbahn in ihrer Besatzungszone bis zum Grenzbahnhof direkt an der Demarkationslinie und überschritten diese zu Fuß über die „Grüne Grenze“. Erst ab April 1947 durften auch Privatpersonen bei dringenden Fällen Interzonenpässe beantragen und ab November 1947 fanden sich im 2. Nachkriegskursbuch für die SBZ Verbindungen in die anderen Besatzungszonen. Doch diese wurden schon ein Jahr später mit der Berlin-Blockade von April 1948 bis Mai 1949 wieder unterbrochen.

Hauptlinien des Interzonenverkehrs für Personen:

  • Berlin- Schwanheide – Büchen – Hamburg
  • Rostock – Herrnburg – Lübeck – Hamburg (von 1952 bis 1960 geschlossen)
  • Berlin – Oebisfelde – Vorsfelde/Wolfsburg – Hannover
  • Berlin – Erfurt – Wartha (Werra) – Gerstungen – Bebra – Frankfurt/Main
  • Saalfeld – Probstzella – Ludwigstadt – Nürnberg
  • Leipzig – Gutenfürst – Hof – München

Zwei deutsche Staaten – zwei deutsche Bahnen (1949-1961)

Mit Ende der Berlin-Blockade im Mai 1949 wurde der „normale“ Interzonenverkehr wieder aufgenommen und der erste Interzonenzug rollte von Berlin nach Köln. Der zivile Personenverkehr zwischen Ost und West lief immer stabiler, selbst als die beiden deutschen Staaten geschaffen wurden. Ab Herbst 1949 gab es sechs regelmäßig verkehrende Zugpaare. Die Bezeichnung „Interzonenzug“ blieb dabei lange bestehen, selbst für durchgehende Transit-Züge nach Westberlin, weil beide Seiten weiterhin von einem einheitlichen Deutschland ausgingen. Der Güterverkehr wurde ebenfalls auf etwa ein Dutzend Züge am Tag begrenzt, weil sie alle am jeweiligen Grenzbahnhof kontrolliert werden mussten.

Abfahrt des ersten Interzonenzuges 1949

Bundesarchiv / 183-S85182 / Rudolph/ CC-BY-SA

1949 wurden die Betriebsdirektionen der früheren Deutschen Reichsbahn im Westen zur „Deutschen Bundesbahn“ vereinigt. Im Osten behielt die Verwaltung der Deutschen Reichsbahn ihren alten Namen und wurde dem Verkehrsministerium unterstellt. Mit dem alten Namen behielt die DDR auch die rechtliche Grundlage, den kompletten S-Bahn-Verkehr in Berlin abzuwickeln, auch in Westberlin. Gerade in der sozialistischen DDR schien die namentliche Beibehaltung einer Einrichtung des imperialistischen Deutschen Reiches paradox. Doch damit stellte sie alle Lokomotiven für den Interzonenverkehr und später auch für den Transitverkehr. Die Reichsbahn-Loks fuhren beispielsweise bis Helmstedt und wurden dort getauscht. Die grenzüberschreitenden Fahrten wurden dadurch zusätzlich verzögert.

Der umfangreiche Verkehr nach Berlin und der Wegfall des Interzonenpasses 1953 sorgten Anfang der 50er Jahre für teils überfüllte Züge. Deswegen setzte man 1954 noch sechs weitere Zugpaare und zusätzliche Entlastungszüge an Feiertagen ein. Die Reisenden kamen über insgesamt sieben Übergänge von Saßnitz nach Hamburg und von Leipzig, Berlin oder Dresden nach München. Sogar der D105/106 von Paris nach Moskau fuhr regelmäßig. Die Fahrpläne zwischen Ost und West wurden in sogenannten „Fahrplankonferenzen“ zwischen Deutscher Bundesbahn und Deutscher Reichsbahn abgestimmt. Bundesdeutsche benötigten für die DDR-Einreise eine Aufenthaltsgenehmigung, hatten aber sonst freie Fahrt – vor allem im Transit nach Westberlin. Für DDR-Bürger hingegen wurden die Reisemöglichkeiten seit der Grenzsicherung zur BRD im Jahr 1952 immer weiter eingeschränkt. Außerdem waren viele Interzonenzüge in der DDR nicht für den Binnenverkehr freigegeben.

Interzonenzüge und Transitzüge nach dem Mauerbau (1961-1972)

Der Mauerbau änderte am Zugangebot der beiden deutschen Eisenbahnen wenig. Nur die DDR-Bürger hatten nun das Nachsehen: Fahrten in die Bundesrepublik waren an eine Genehmigung gebunden und die wurde nur sehr selten erteilt. Die Züge zwischen Ost und West wurden nun unterschieden in „Interzonenzüge“ und „Transitzüge“. Letztere verbanden Westberlin mit der BRD und hielten in der DDR überhaupt nicht mehr. Die Sicherheitsvorkehrungen waren enorm, denn die DDR-Regierung versuchte auch nach dem Mauerbau die Fluchtbewegungen der eigenen Bevölkerung in den Westen mit allen Mitteln zu unterbinden. Die „Interzonenzüge“ wiederum fuhren Westberlin gar nicht erst an und hatten teilweise enorm lange Strecken, wie der D-Zug Rostock-München. Diese Züge hielten auch an DDR-Bahnhöfen und konnten innerhalb der DDR normal genutzt werden. Die schon vorher langwierigen Kontrollen bei der Ein- und Ausreise nahmen immer mehr Zeit in Anspruch.

Zu den Erschwernissen nach dem Mauerbau kam 1964 der Mindestumtausch von D-Mark in DDR-Mark hinzu. Jeder Westdeutsche, der in die DDR einreisen wollte, musste eine bestimmte Summe im Kurs 1:1 von D-Mark in DDR-Mark tauschen. Zuletzt waren dies 25 D-Mark pro Person und Tag. Der reale Wechselkurs lag schätzungsweise bei 1:10. Hinzu kam 1968 die Pass- und Visumspflicht: DDR-Bürger erhielten ein Visum für Reisen in die BRD nach wie vor nur in absoluten Ausnahmefällen. Bürger der BRD waren verpflichtet, bei den DDR-Behörden für eine bestimmte Summe ein Visum zu beantragen. Diese Maßnahmen erhöhten für die Reisenden den Zeit- und Kostenaufwand, für die DDR aber die Deviseneinnahmen. So profitierte sie vom Interzonenverkehr.

Ehemaliger Grenzbahnhof Schwanheide

Foto: BStU

Foto: BStU

Die Bahn verbindet – Bahnreisen in Zeiten der Annäherung

Die neue Außenpolitik der Bundesregierung unter Willy Brandt ab 1970 sollte das Reisen zwischen beiden deutschen Staaten vor allem aber zwischen der BRD und Westberlin erleichtern. Mit dem deutsch-deutschen Verkehrsvertrag von 1972 trat auch ein Eisenbahngrenzübereinkommen in Kraft. Damit kam der innerdeutsche Bahnverkehr wieder in Schwung. Die Visagebühren für BRD-Bürger wurden abgeschafft, wofür die DDR mit der sogenannten „Transitpauschale“ entschädigt wurde. Von dieser jährlichen Geldzahlung aus dem Bundeshaushalt finanzierte sie einen weiteren Bahnübergang bei Staaken und den Ausbau von Bahnstrecken auf dem Weg nach Westberlin. Im Gegenzug erleichterte die DDR die Visa-Erteilung für Transit- und Einreisevisa und verlagerte sie direkt in die Züge. Für DDR-Bürger blieben aber die Reisebeschränkungen. Immerhin durften Rentner nun vereinfacht in die BRD reisen und bei wichtigen Familienangelegenheiten auch andere DDR-Bürger. Oft benutzten sie dabei die Eisenbahn. Die Zahl der Reisenden zwischen Ost und West verdoppelte sich in den 70er Jahren auf bis zu 18 Mio. Menschen pro Jahr.

So intensivierte sich der geteilte deutsch-deutsche Zugverkehr in den 70er und 80er Jahren. Erst 1989 trat die Deutsche Reichsbahn ungewollt wieder in den politischen Fokus: Im Sommer 1989 flüchteten tausende DDR-Bürger in die westdeutsche Botschaft in Prag. Als Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher Ende September deren Ausreiseerlaubnis aushandelte, verlangte die DDR-Führung eine „ordentliche“ Ausreise über das Staatsgebiet der DDR. Die Reichsbahn konnte aber nur Sonderzug-Waggons auftreiben, mit denen Linientreue zum Republik-Geburtstag am 7. Oktober in Ostberlin gekarrt werden sollten. So fuhren die Flüchtlinge in blitzsauber geputzten Reichsbahn-Sonderzügen über Dresden, Karl-Marx-Stadt und Plauen ins bayrische Hof. Allein am Dresdner Hauptbahnhof versammelten sich etwa 2.000 Menschen, um zu den Zügen zu kommen. In der Folge kam es zu massiven Polizeieinsätzen und Gewalt. Mit dem Mauerfall am 9. November 1989 wurden alle Reisebeschränkungen sehr schnell aufgehoben. Für den nun explodierenden Personenverkehr musste zwischenzeitlich sogar der Güterverkehr verringert werden. Im Zuge der Deutschen Einheit wurden schließlich am 1. Januar 1994 die Deutsche Reichsbahn und die Deutsche Bundesbahn zur Deutschen Bahn AG vereinigt.

Interview

Zeitstrahl

Chronologie der Grenze von 1945 bis 1989

1945 Zunächst erlassen alle Siegermächte ein Reiseverbot für die deutsche Zivilbevölkerung, damit die wenigen intakten Eisenbahnstrecken für Versorgungs-, Militär-, Umsiedler- und Reparationsgütertransporte frei bleiben. Dennoch zogen ca. eine halbe Mio. Menschen von der britischen in die sowjetische Besatzungszone und 1,6 Mio. Menschen in umgekehrter Richtung (Oktober 1945 - Juni 1946). Von den Siegermächten organisierte Umsiedlertransporte wurden zumeist in Güterwaggons abgewickelt.
1945 Der Bahnverkehr liegt auch weiterhin in den Händen der Deutschen Reichsbahn. Doch jede Besatzungsmacht gründet eine eigene Reichsbahndirektion.
10.9.1945 Der Alliierte Kontrollrat regelt die Durchfahrt von Militär- und Versorgungszügen von und nach Berlin durch das Gebiet der sowjetischen Besatzungszone. Es werden täglich 13 Versorgungs- und 3 Militärzüge eingerichtet. Damit wird der „Interzonenzug“ eingeführt. Interzonenzüge werden auch im Reiseverkehr eingesetzt, allerdings anfangs mit enormen Sicherheitseinschränkungen.
30.6.1946 Interzonenpässe für zunächst geschäftliche Reisen zwischen den vier Besatzungszonen werden eingeführt. Der Interzonenpass gilt für einmalige Reisen in genau festgelegte Zonen, Bezirke und Städte. 
23.4.1947 Auch Privatpersonen dürfen bei dringenden familiären Gründen einen Reiseantrag stellen. Die absolute Mehrzahl der Menschen übertritt die Grenze illegal zu Fuß.
24.6.1948-12.5.1949 Berlin-Blockade. Die sowjetische Besatzungsmacht riegelt Westberlin vollständig ab und sperrt sämtliche Zufahrtswege. Auch der Interzonenzugverkehr kam fast vollständig zum Erliegen, durchgelassen wurden nur nicht-deutsche Staatsbürger und Militärangehörige der Alliierten.
12.5.1949 Wiederaufnahme des Interzonenverkehrs. Die Deutsche Reichsbahn der sowjetischen Besatzungszone/DDR übernimmt ab jetzt sämtliche Zugleistungen, d.h. der Interzonenverkehr wird ausschließlich mit Lokomotiven aus dem Osten abgewickelt
1.11.1949 Nach Gründung beider deutscher Staaten schaffen die Westalliierten die Interzonenpasspflicht zwischen ihren Zonen gänzlich ab.
7.9.1949 Die Bahndirektionen der Westalliierten werden zur Deutschen Bundesbahn zusammengelegt. In der DDR übernimmt die Deutsche Reichsbahn zum 1. April die letzten Privatbahnen und wird dem Verkehrsministerium unterstellt.
November 1953 Abschaffung des Interzonenpasszwanges auch zwischen der sowjetischen Besatzungszone (DDR) und den westlichen Besatzungszonen (BRD). DDR-Bürger müssen bei Reisen in die BRD ihren Personalausweis abgeben und erhalten dafür eine Personalbescheinigung. 
1.12.1955 Die DDR-Grenzpolizei übernimmt von der sowjetischen Armee die vollständige Kontrolle der DDR-Außengrenze. Die DDR-Polizei übernimmt die Kontrolle der Sektorengrenzen innerhalb Berlins. Kontrolle des Militärverkehrs (Güter und Personen) zwischen den Alliierten verbleibt bei der sowjetischen Armee. 
1954-1961 Wesentliche Erleichterungen im Interzonenverkehr, Einsatz von deutlich mehr Zügen sowie Aufnahme von Schlaf- und Speisewagenverkehr. Zusammenarbeit zwischen Deutscher Bundesbahn und Deutscher Reichsbahn verläuft intensiv und effizient.
13.8.1961 Mauerbau. Der Interzonenverkehr wird zwar stärker kontrolliert aber sonst gibt es keine Auswirkungen. Angeschlossene DDR-Städte waren u.a. Berlin, Dresden, Leipzig, Rostock, Görlitz, Frankfurt/Oder und Stralsund. 
25.11.1964 Die DDR-Regierung legt eine Mindestumtauschquote für Einreisende aus der BRD, Westberlin und anderen kapitalistischen Ländern fest. 
11.6.1968 Einführung der Pass- und Visapflicht im Reise- und Transitverkehr zwischen der BRD und Westberlin. 
17.12.1971 Transitabkommen zwischen DDR und BRD. Erleichterungen im Transitverkehr zwischen der BRD und Westberlin. Die Visaerteilung erfolgte von nun im Fahrzeug bzw. im Zug und Untersuchungen des persönlichen Gepäcks wurden eingestellt. Die Visagebühren fielen weg, wofür die DDR eine vertraglich vereinbarte Transitpauschale von der Bundesregierung bekam (1972: ca. 235 Mio. DM, 1989 ca. 525 Mio. DM). Am 26.5.1972 wird der innerdeutsche Verkehrsvertrag unterzeichnet.

Eisenbah.GÜSt (Grenzübergangsstellen):

  • Lübeck – Herrnburg
  • Büchen – Schwanheide
  • Wolfsburg – Oebisfelde
  • Helmstedt – Marienborn
  • Bebra – Gerstungen
  • Ludwigsstadt – Probstzella
  • Hof - Gutenfürst
21.12.1972 Grundlagenvertrag DDR-BRD. Die Zusammenarbeit zwischen beiden deutschen Staaten „normalisiert“ sich und wird in den 80er Jahren teilweise sogar intensiviert.
9.11.1989 Mauerfall

Zusatzinformationen

Begriffe und Namen

Interzonenzug

Ihren Namen haben die Züge aus der direkten Nachkriegszeit, als sie – ausschließlich mit Genehmigung durch einen Interzonenpass – die verschiedenen Besatzungszonen verbanden. Die Besatzungsmächte hatten 1945 bis 1947 ein großes Interesse daran, den Verkehr zwischen den Besatzungszonen zu kontrollieren und möglichst einzudämmen. Später verkehrten die „Interzonenzüge“ zwischen der DDR und der BRD, ohne dabei Westberlin durchfahren zu können. Diese Züge hatten teilweise einen sehr langen Zuglauf, z.B. Düsseldorf-Dresden oder Rostock-München. Sie hielten in der DDR normal an einigen Bahnhöfen und waren für DDR-Bürger damit im eigenen Land nutzbar.

Transitzug

Zug, der zwischen Westberlin und der BRD keinen Halt hatte. Diese Züge wurden an der Grenze BRD/DDR oder Westberlin/DDR verplombt und fuhren dann durch die DDR mit Vorrang – durchgehend besetzt mit Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit. Sie standen im Fahrplan („Kursbuch der Deutschen Reichsbahn“) unter „grenzüberschreitendem (internationalem) Verkehr“, weil die DDR-Führung vor allem ab 1961 die Teilung in zwei deutsche Staaten bekräftigte. DDR-Bürger konnten die Züge nur nutzen, wenn Sie eine Reisegenehmigung hatten, da diese Züge an inländischen Bahnhöfen der DDR nicht hielten.

Besatzungszonen

Begriff für die Regionen Deutschlands, die die vier Besatzungsmächte zum Kriegsende 1945 kontrollierten. Die Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie kamen 1945 unter polnische Verwaltung. Due Besatzungszonen wurden im Nordwesten von Großbritannien, im Südwesten von den USA und Frankreich und im Osten von der Sowjetunion kontrolliert. Die westlichen Besatzungszonen schlossen sich 1948 zur Trizone zusammen, die Sowjetische Besatzungszone blieb erhalten. Im Mai 1949 entstand aus der Trizone die BRD und daraufhin im Oktober desselben Jahres die DDR.

Fahrplankonferenzen

Seit Ende der 40er Jahre gab es in Deutschland zwei Bahnverwaltungen der vormals gesamtdeutschen Reichsbahn: die der West- und die der Ostzone. Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland entstand die Deutsche Bundesbahn im Westen neu. In der DDR hingegen wurde der Name Deutsche Reichsbahn bis zum Schluss erhalten, um die rechtliche Legitimation für den Berliner S-Bahn-Betrieb zu behalten. Beide Bahnverwaltungen mussten ihren Bahnverkehr gegenseitig abstimmen und hielten dazu Fahrplankonferenzen ab, in denen die Eisenbahner sehr konkret und direkt zusammen arbeiteten. Immer wieder stellten sie auch Forderungen an die Politik, um die Reiseverbindungen zu verbessern. Seitens der Politik wurden die Fahrplankonferenzen stark beeinflusst, da sie den Austausch zwischen Ost und West im Detail regelten.

Alltag

Eine Transitreise mit dem D309 von Berlin-Friedrichstraße nach München Hbf, über Berlin Zoo und Berlin Wannsee. Auszugsweise zitiert aus: Peter Bock: Interzonenzüge. Eisenbahnverkehr im geteilten Deutschland 1945-1990, München 2007, S.126-133

„Der Wagenzug wird schon in der Nacht vom Wagenmeister des Bahnbetriebswagenwerkes Berlin-Rummelsburg (Bww Rga) besonders gründlich untersucht. Nun steht er gereinigt und vorgeheizt auf einem der Abstellgleise in Rummelsburg Abstellbahnhof (Rga), deren Nutzung mit dem Transportpolizeiamt Berlin abgestimmt sein muss. (…) Jetzt beginnen die Genossen des Transportpolizeiamtes Internationaler Reiseverkehr mit der Innentransportmittelkontrolle (ITMK) des Wagenzuges. Für die Kontrolle der Wagenunterteile werden Spürhunde eingesetzt. Erst nach Beendigung der ITMK darf die Lok den Zug bespannen, eine 132er, eine sogenannte Passlokomotive aus dem besonderen Lokbestand des Bahnbetriebswerkes Berlin-Hauptbahnhof (heute Berlin-Ostbahnhof – d. A.) für den Transit-Verkehr. In Berlin waren die Bahnbetriebswerke Hauptbahnhof und Grunewald für die Bespannung sowohl der zivilen Transitzüge als auch der Militärreise- und güterzüge der in Berlin stationierten Westalliierten zuständig. In den Bahnbetriebswerken wurde ständig eine sogenannte ‚Transitbereitschaft‘ mit Lokomotiven der Baureihe 132 und besonderem Transitpersonal vorgehalten, das die Berechtigung für Fahrten bis zu den Betriebswechselbahnhöfen der Deutschen Bundesbahn in der BRD besaß. Triebfahrzeuge und Lokpersonal, das mit den entsprechenden Grenzdokumenten ausgestattet war, wurden als Passlokomotiven bzw. Passpersonal bezeichnet. Die Triebfahrzeuge für den Transitdienst unterlagen einer verkürzten Wartung im Viertage-Rhythmus oder nach einer begrenzten Laufleistung von 2.000 Kilometern. (…) Die zahlreichen Stellen auf der Lok, an denen sich hinter Türen, Klappen und Schränken Hohlräume befanden, die Menschen bei Fluchtversuchen als Versteck dienen konnten, wurden im Bahnbetriebswerk verplombt. (…) Entlang der Transitstrecken standen in den Bahnbetriebswerken Wittenberge, Magdeburg, Halle, Erfurt, Saalfeld und Reichenbach (Vogtl) ständig besetzte Reservelokomotiven der Baureihen 132 oder 211 für den Transitverkehr, aber auch zur Bespannung des grenzüberschreitenden Verkehrs (DDR-BRD) bereit. Während sich früher z.B. ein Erfurter Lokpersonal mit seiner 01 im Transitverkehr nach Bebra ‚nur‘ in Gerstungen den Organen zur Kontrolle stellen musste, wurden die Berliner Lokpersonale wesentlich öfter ‚gefilzt‘. Begannen die Berliner doch ihre Fahrt in der ‚Hauptstadt der DDR‘, durchquerten anschließend die ‚Frontstadt Westberlin‘, fuhren danach wieder durch die DDR und passierten letztlich die ‚Staatsgrenze West‘. (…)
Bei der Abfahrt unseres Leerzuges von Rga befinden sich bereits einige nichtzahlende Fahrgäste an Bord. Es sind die Angehörigen des besonderen Zugbegleitkommandos Transit (ZBK Transit) der Transportpolizei der DDR. Sie haben Zug und Lok bereits in Rga ‚durchkämmt‘, die Wagentüren von innen mit Ketten verschlossen und besetzen nun jeden Wagen, um den Zug während seiner Fahrt über Hauptbahnhof bis Berlin-Friedrichstraße zu begleiten und jegliches unkontrollierte Zusteigen bei außerplanmäßigen Halten oder innerhalb von Langsamfahrabschnitten zu verhindern. Zur besseren Übersichtlichkeit wurde bereits im dem Leerreisezug zwischen Rga und Berlin-Friedrichstraße bei Dunkelheit die Zugbeleuchtung eingeschaltet. Auf dem Hauptbahnhof ist ein planmäßiger Betriebshalt vorgesehen. Während hier die Mitropa (Betreibergesellschaft für Speisewagen der Deutschen Reichsbahn – d. A.) den Speisewagen belädt, ‚sichern‘ die Blauberockten auch den schmalen Zwischenraum zum benachbarten S-Bahn-Gleis 8, um auch hier ein mögliches Aufsteigen auf den Zug zu verhindern.
Dann geht die Fahrt weiter über die Stadtbahn zum stark bewachten Grenzbahnhof Berlin-Friedrichstraße. (…) Auf dem Fernbahnsteig A in Friedrichstraße werden die dort wartenden Reisenden mit entsprechender Reisegenehmigung über Lautsprecher von der bestehenden Einfahrt des D309 unterrichtet und gleichzeitig gewarnt: ‚Nach Einfahrt des Zuges verbleiben Sie bitte hinter der weißen Kontrolllinie!‘ Die ist über den ganzen Bahnsteig gezogen und soll die Reisenden auf Distanz zu dem hier nun erst richtig zu kontrollierenden Zug halten. Nach dem Halt beginnt sogleich die Zugkontrolle, von der das Zugpersonal und die Zuglok nicht ausgenommen bleiben. Die Angehörigen der Zollverwaltung der DDR lassen keinen Hohlraum des Waggons unkontrolliert. Spürhunde (…) kriechen unter dem Wagenzug entlang. (…) Inzwischen sichern die Angehörigen der Grenztruppen der DDR den Bahnsteig. Sie sitzen in den Postenhäuschen an den Bahnsteigenden, außerdem beobachten sie fern- und S-Bahnsteig von Standorten in den beiden verglasten Hallenschürzen. Das ganze Szenarium wird ständig von zahlreichen Fernbeobachtungskameras überwacht, die ihre Bilder auf die Monitore des Führungspunktes der Grenztruppen und andere Kontrollpunkte im Bahnhofsgebäude übertragen. Bei Eintreten besonderer Vorkommnisse würden die Kontroll- und Sicherheitsorgane Alarm auslösen. Wenn die blaue Rundumleuchte auf dem Dach des Dienstraumes der Aufsicht auf dem Bahnsteig A leuchtete und die Hupe laut ertönte, würde jeder Zug sofort angehalten werden. (…)
Inzwischen sind auch Pass und Tasche des Lokführers in Augenschein genommen worden und die Zöllner beginnen mit der Lokkontrolle. (…) Die Kontrollen verlaufen meist erfolglos, das heißt, man findet nichts. Die Beendigung der Zugkontrolle tragen die bahnsteigverantwortlichen der PKE und des Grenzzollamtes in das sogenannte ‚Zugfertigmeldebuch‘ bei der Aufsicht auf Bahnsteig A ein. Zuvor war natürlich kontrolliert worden, dass auch alle Angehörigen der ‚Organe‘ den Transitzug verlassen haben. Erst danach werden die Reisenden zum Einsteigen aufgefordert und die Fertigmeldung des Zuges wird an den Fahrdienstleiter auf dem Stellwerk abgegeben.
Hinter dem Bahnhof Friedrichstraße schlängelt sich der D309 noch einen Kilometer über den von Sichtblenden und Kontrolltürmen eingerahmten und bei Dunkelheit von Peitschenmastlampen hell erleuchteten Stadtbahnviadukt, bis er nach Überqueren des Humboldthafens am Lehrter Stadtbahnhof West-Berliner gebiet erreicht. (…) In Zoologischer Garten und Wannsee steigen die eigentlichen Transit-Reisenden zu, die das Gebiet der DDR nur durchfahren dürfen.
Unmittelbar nach dem Verlassen West-Berlins bei Kohlhasenbrück ist auf dem zur Festung eingemauerten Grenzbahnhof Griebnitzsee ein Betriebshalt. Hier steigen die zahlreichen Angehörigen der Kontrollgruppe der PKE zu. Sie werden auf der Fahrt bis Gutenfürst die Pass- und Personenkontrolle der Transitreisenden durchführen. Diese Kontrolleure sind Angehörige des Ministeriums für Staatssicherheit, tragen aber zur Tarnung die grün-paspelierte Uniform der Grenztruppen der DDR. Gleichzeitig besetzen wieder Transportpolizisten des ZBK Transit den Zug, um ihn bis Gutenfürst ‚im Auge‘ zu behalten und gegen unkontrolliertes Zusteigen zu sichern. Für die Kräfte der PKE und der Trapo werden in einem Wagen des Zuges mehrere nebeneinanderliegende, abschließbare Dienstabteile vorgehalten. Obwohl der Betriebshalt in Griebnitzsee nur fünf Minuten dauert, reicht die Zeit für eine weitere Kontrolle der Lok und des Zugpersonals. Hinter Griebnitzsee kann sich unser Meister nun etwas zurücklehnen, eine Zigarette schmauchen und, wenn auf der Transitstrecke alles nach Plan läuft, bis Gutenfürst die ‚Grüne Welle‘ genießen. (…)
Nach 320 Kilometern (…) erreicht unser Zug den kleinen Personenzugbahnhof Gutenfürst, der nach 1945 zur Grenzstation zwischen Ost und West aufgewertet worden war. Während des fünfminütigen Aufenthaltes verlassen alle ‚DDR-Organe‘ den Zug, nur wenige Reisende aus der DDR steigen noch zu. Die Lok wird ein letztes Mal kontrolliert, ehe sie mit dem D309 am Haken die Staatsgrenze West überfährt und nach weiteren 15 Minuten Fahrzeit den Lokwechselbahnhof Hof erreicht.

Abbildungen

Interzonenpass

gelsenzentrum.de

Auszug Kursbuch 1989. Transitzug Berlin (Ost) – München

Auszug Kursbuch 1989 „Fernverbindungen“ (Rechte: gemeinfrei); Der Interzonenzug D441 Düsseldorf-Zwickau taucht auf der Fernstrecke Rostock-Leipzig nur in jenen teilen auf, in denen er die DDR befährt. Fahrzeiten aus dem Westen werden nicht angezeigt ...

... Der vollständige Zuglauf ist nur im Kursbuch „Internationale Verbindungen aufgeführt“. Auszug Kursbuch 1989 „Internationaler Verkehr“

Literatur

Peter Bock: Interzonenzüge. Eisenbahnverkehr im geteilten Deutschland 1945-1990. München, 2007.

Thomas Hanna-Daoud, Birgit Kneip: Eisenbahn in der DDR – Die Deutsche Reichsbahn 1945–1990. München, 2006.

Frits A. Bodde: Reichsbahn im Wandel seit 1989. Stuttgart, 1999.

Alfred B. Gottwaldt: Deutsche Reichsbahn. Kulturgeschichte und Technik. Stuttgart, 2007.

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